Denkmal-Streit um Friedens-Kirche

Was ist ein Baudenkmal? Wer entscheidet darüber? Nach welchen Kriterien? – Oder, aktuell und konkret: Soll die Friedenskirche in Remmighausen Baudenkmal werden? – Darüber ist in Detmold ein heftiger Streit entbrannt, eine Auseinandersetzung, die auch in unsere Fraktion ausstrahlt: Müssen wir doch im Ausschuss und im Rat mit darüber beschließen – ohne allerdings darüber entscheiden zu können! – Verwirrend? Ja! – Fangen wir also am Anfang an:

Ausschuss für Stadtentwicklung, 14.02.24: Auf der Tagesordnung stehen „Denkmalangelegenheiten“ – in aller Regel ein Punkt, der ohne große Diskussion abgehakt wird. Nicht so dieses Mal. Beschlossen werden soll:

„Das Kirchengebäude Hornsche Straße 267 wird in die Denkmalliste der Stadt Detmold …  eingetragen“

Der Ausschuss lehnt die Eintragung mit 14 Neinstimmen bei 3 Enthaltungen und 0 Jastimmen ab – wozu er allerdings nach Denkmalschutzgesetz kein Recht hatte (zu den juristischen Grundlagen: siehe unten). Deshalb musste die Abstimmung im Ausschuss am 17.04.2024 wiederholt werden – mit ähnlichem Ergebnis: 15 Nein, 1 Ja, 1 Enthaltung. Ebenso bei der endgültigen Abstimmung im Rat: Ablehnung bei nur 1 Gegenstimme.

Mehr Information:

Ausschuss für Stadtentwicklung, 14.02.2024, TOP Ö 9.2

A. f. Stadtentwicklung, 14.02.2024, Protokoll, TOP 9.2

Rat, 16.05.2024, TOP Ö 1.2, Ö 1.3, TOP Ö 5

Aber welches sind denn nun die Argumente für, welches gegen den Denkmalschutz?

Die Befürworter: LWL: Kirche ist Denkmal

Der LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe), Abt. Denkmalpflege, erklärt in seiner „Denkmalwertbegründung“ (S. 9 ff.) unter anderem:

„… Die Friedenskirche ist bedeutend für die Geschichte des Menschen, hier die Religionsgeschichte“, etwa wegen ihrer „würdevollen aber … bescheidenen Gestaltung … in der reformierten Tradition …“. – Außerdem ist sie „als zentrales Element der lokalen Infrastruktur“ bedeutend für die Siedlungsentwicklung. – Fazit: An der Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaftlichen, hier architekturgeschichtlichen und kirchengeschichtlichen Gründen ein Interesse der Allgemeinheit“.

Eigentümer: Denkmalschutz verhindert weitere Nutzung

Die ev.-ref. Kirchengemeinde Detmold-Ost „beantragt, die Aufforderung …, das Gebäude in die Denkmalliste einzutragen, zurückzuweisen“: „Aufgrund rückläufiger Zahl der Gemeindemitglieder … (wurde) die Kirche am 24. September 2023 … entwidmet“.

Eine Folgenutzung hat die Stiftung Eben-Ezer in Aussicht gestellt: Sie sieht die „Möglichkeit, (hier) einen Ort zu schaffen, an dem Menschen mit Behinderung ein erfülltes und unterstütztes Leben führen können“ – was aber einen „Umbau“ mit erheblichem Eingriff in die Bausubstanz“ oder besser: einen völligen Neubau „nötig machen würde“. Auch die Kirchengemeinde weist auf die Notwendigkeit umfassender Umbauten für eine Folgenutzung hin, welche wohl bei einem Denkmal nicht möglich wären.

In der Folge gab es Stellungnahmen, z. B. des örtlichen Ratsherrn Klaus Brand (gegen Unterschutzstellung), von der Ortsvorsteherin (für den Denkmalschutz) und von Remmighauser Bürgern (für den Erhalt der Kirche) (alle nachzulesen in den Unterlagen für die Rats-Sitzung).

Wie geht’s weiter?

Die Ablehnung durch den Rat bedeutet (ebenso wie die vorhergehenden Ablehnungen durch den Ausschuss) nicht die endgültige Entscheidung.

Laut Denkmalschutzgesetz haben die örtlichen Gremien nämlich gar keine Entscheidungsbefugnis. Über den Denkmalwert entscheidet allein die Denkmalbehörde ausschließlich nach denkmalfachlichen Gesichtspunkten. Und nach den vorliegenden Unterlagen sieht das Westfälische Amt für Denkmalpflege die Kirche als „denkmalwürdig“ – was letztlich zu einer Eintragung in die Detmolder Denkmalliste führen wird.

Nach § 32 des Denkmalschutzgesetzes kann dann „… der Eigentümer die Übernahme eines Denkmals durch die Gemeinde verlangen, wenn es ….wirtschaftlich nicht zumutbar ist, das Denkmal zu behalten …“

Und die GRÜNEN?

Auch in der GRÜNEN Fraktion waren die Meinungen geteilt. Die einen (darunter ein fachkundiger Architekt) konnten die Argumente des LWL pro Denkmalwert nachvollziehen. Anderen erschloss sich der Denkmalwert des Gebäudes nicht unbedingt; nicht zuletzt konnte man die Eigentümerin verstehen, für welche ein solches Denkmal eine (gerade auch finanzielle) Last bedeuten würde (Ratsherr Brand, SPD: „Zwangsenteignung“).

Letzten Endes entscheidend war für uns aber die Tatsache, dass wir ohnehin keine Entscheidungsbefugnis haben. Deshalb haben wir auf eine fachlich-inhaltliche Bewertung des Denkmal-Vorschlages verzichtet und lediglich aus Verfahrensgründen entschieden, die entsprechenden Beschlussvorlagen abzulehnen – wie auch die Mehrheit der übrigen Parteien.

Fraktionsvorsitzender Walter Neuling in einer Presse-Erklärung:

Bei der Eintragung eines Gebäudes in die Denkmalliste handelt es sich um ein reines Verwaltungsverfahren, in dem die zuständige Denkmalbehörde ausschließlich nach denkmalfachlichen Gesichtspunkten entscheidet.

Dieses Verfahren ist einer politischen Abwägung in den Gremien der Stadt Detmolds nicht zugänglich. Insbesondere spielen Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit eines Denkmals sowie die Stellungnahme des Eigentümers in diesem Verfahren keine Rolle. Insbesondere die zukünftige Nutzung eines ehemaligen Kirchengebäudes wirft hier Fragen auf.

Insoweit haben Entscheidungen des Stadtentwicklungsausschusses und des Rates keine verfahrensbeeinflussende Wirkung. Ohne reale Konsequenz eines Beschlusses kann in der Öffentlichkeit dennoch der Eindruck der Instrumentalisierung des Ausschusses für die eine oder andere Seite in dem Verfahren entstehen.

Die Ablehnung der Eintragung der Friedenskirche in die Denkmalliste durch die Grünen bedeutet keine inhaltliche Bewertung. Diese Entscheidung sorgt nur dafür, dass die Entscheidung von der zuständigen Behörde getroffen wird – ohne politische Scheinbeteiligung.